Einsetzung einer Enquete-Kommission im Bayerischen Landtag "Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben"

11.07.2016


Antrag der Abgeordneten
Kreuzer Thomas, Zellmeier Josef, Brendel-Fischer Gudrun, Freller Karl, Schreyer-Stäblein Kerstin, Blume Markus, Bocklet Reinhold, Dünkel Norbert, Dr. Eiling-Hütig Ute, Fackler Wolfgang, Guttenberger Petra, Heckner Ingrid, Heike Jürgen W., Herold Hans, Dr. Herrmann Florian, Huber Erwin, Dr. Huber Martin, Huber Thomas, Dr. Hünnerkopf Otto, Jörg Oliver, Kaniber Michaela, Neumeyer Martin, Reiß Tobias, Dr. Rieger Franz, Rüth Berthold, Schalk Andreas, Schorer Angelika, Schorer-Dremel Tanja, Seidenath Bernhard, Stamm Barbara, Stierstorfer Sylvia, Taubeneder Walter, Trautner Carolina, Unterländer Joachim, Prof. Dr. Waschler Gerhard, Winter Peter




 

Kreuzer Thomas

und Fraktion CSU

Der Landtag wolle beschließen:

I. Zur Untersuchung der Situation von Migrantinnen und Migranten in Bayern, der Chancen, Risiken und Herausforderungen, die die Integration der nach Bayern zugewanderten Menschen mit sich bringt, sowie der Grundlagen und Rahmenbedingungen einer erfolgreichen und zukunftsgerichteten Integrations- und Migrationspolitik im Freistaat wird eine Enquete-Kommission eingesetzt.

II. Die Integration der vielen Menschen, die in den vergangenen Monaten und Jahren bei uns Zuflucht vor Krieg, Vertreibung und Verfolgung gefunden haben und die gegenwärtig noch Zuflucht suchen, wird nicht nur in Bayern eine der entscheidenden politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre sein. Je erfolgreicher wir diese Herausforderung meistern und je besser es uns gelingt, die damit verbundenen Chancen und Potenziale zu nutzen, umso positiver steht es auch um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unserer gemeinsamen Heimat.

Bayern war schon immer ein Ort des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Biografie und kultureller Prägung. So kamen in der unmittelbaren Nachkriegszeit rund zwei Millionen Vertriebene und Flüchtlinge nach Bayern. Zwischen den 1950-er und 1970-er Jahren siedelten sich insgesamt mehr als eine Million sogenannter ,,Gastarbeiter" in Bayern an. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR folgten in den 1990-er Jahren mehrere hunderttausend Spätaussiedler und über 30.000 jüdische Kontingentflüchtlinge. Im selben Zeitraum kamen ungefähr 350.000 Asylbewerber und zehntausende Menschen im Rahmen des Familiennachzugs nach Bayern. Gerade die in der Vergangenheit wie in der Gegenwart vielerorts gelebte Vielfalt und die damit verbundene gesellschaftliche Dynamik zeichnen das moderne Bayern aus und bieten einen wichtigen Erfahrungshintergrund für die Bewältigung der aktuellen integrationspolitischen Herausforderungen.

So vielfältig und unterschiedlich wie die Lebenssituationen und die Herkunftsgeschichten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund sind auch die Lebenslagen, ihre jeweils spezifischen integrationspolitischen Bedürfnisse und die daraus resultierenden politischen Handlungserfordernisse. Hinzu kommen ausgeprägte Unterschiede zwischen städtisch geprägten Strukturen, insbesondere im Ballungsraum, und dem ländlichen Raum. Damit Integration erfolgreich ist, gilt es, diese unterschiedlichen Ausgangssituationen und Lebenslagen zu berücksichtigen, ihre Chancen und Potenziale zu erkennen und zu nutzen, damit verbundene Probleme zu beachten sowie Hemmnissen und Benachteiligungen entgegenzuwirken.

Aufgabe der Enquete-Kommission ist es demgemäß, zunächst eine generelle Bestandsaufnahme zur Situation der unterschiedlichen Personengruppen mit Migrationshintergrund und Integrationsbedarf vorzunehmen (siehe Punkt III), um anschließend entlang zentraler Handlungsfelder (Sprache und Bildung; Gesellschaftliche und politische Partizipation; Antidiskriminierung und Antirassismus; Wirtschaft und Arbeitsmarkt; Wohnen und Stadtentwicklung; Gesundheit und Pflege; Religion und Weltanschauung; Gleichstellung; Kultur und Medien; Integrationsbereitschaft, Integrationsrichtung, Leitkultur; Kommunales) Chancen, Risiken und Herausforderungen (auch finanzieller Art) zu identifizieren, die deren Integration mit sich bringt (siehe Punkt IV). Auf dieser Basis entwickelt die Enquete-Kommission konkrete Vorschläge für eine erfolgreiche und zukunftsgerichtete Integrations- und Migrationspolitik in Bayern. In diesem Zusammenhang hat sie insbesondere Konzepte zu entwickeln, wie Potenziale erfolgreicher erkannt, gefördert und nutzbar gemacht werden können, wie Integrationshemmnisse erkannt und abgebaut, die Integrationsbereitschaft erhöht und der Integration Richtung gegeben werden kann. Zudem sind Beispiele gelungener, aber auch nicht gelungener Integration herauszuarbeiten, erfolgreiche Programme und Initiativen zu benennen und die Gründe für ihren Erfolg zu analysieren.

III. Die generelle Bestandsaufnahme, die die Enquete-Kommission zunächst vornimmt, geschieht mithilfe einer Auswertung der Daten des aktuellen Mikrozensus sowie anderer verfügbarer Daten der Staatsministerien, Landesbehörden und Kommunen durch das Statistische Landesamt. Die Auswertung soll rückschauende Analysen und aktuelle Daten ebenso enthalten wie Prognosen über die künftige Entwicklung und soll so weit wie möglich Auskunft über die Verteilung soziokultureller und sozioökonomischer sowie demografischer Merkmale geben, wie etwa Alter, Geschlecht, Entwicklung der Einbürgerungsquote, Bildungsstand, Erwerbstätigkeit und öffentliche Transferleistungen. Dabei ist insbesondere der unterschiedliche Aufenthaltsstatus der Migrantinnen und Migranten zu berücksichtigen. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die unterschiedlichen Sprach- und Bildungsniveaus, Ausbildungsabschlüsse und Qualifizierungsgrade der Migrantinnen und Migranten als entscheidender Ausgangspunkt für jede Art von Integrationsfördermaßnahme zu legen.

Ziel der Bestandsaufnahme ist es, eine erste Strukturierung und Ausdifferenzierung des vielfältigen Themenkomplexes ,,Integration und Migration in Bayern" und insbesondere der unterschiedlichen Personengruppen vorzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass die damit einhergehenden Befunde Implikationen für die jeweiligen Integrationsbedarfe bzw. die politischen Lösungsvorschläge auf den verschiedenen Handlungsfeldern (siehe Punkt IV) mit sich bringen. Insbesondere ist dabei der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen die Unterschiedlichkeit der Personengruppen (z.B. einerseits aktuell Geflüchtete und andererseits Menschen mit Migrationshintergrund, welche bereits seit längerem in Bayern leben, sowie Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen) auf die jeweiligen Handlungsansätze hat. Insbesondere ist zu klären ob, und ggf. welche Unterschiede bei der Integrationsbereitschaft bestehen, die sich aufgrund unterschiedlicher Zukunftserwartungen und Bleibeperspektiven ergeben können.

IV. Auf Basis der in Punkt III skizzierten Bestandsaufnahme untersucht die Enquete-Kommission sowohl zentrale Handlungsfelder der Integration in Bayern wie auch Hemmnisse, die der Integration entgegenstehen. Sie geht der Frage nach, wie die Integrationsbereitschaft der Migrantinnen und Migranten erhöht, und der Integration Richtung gegeben werden kann.
Bei allen nachfolgenden Fragestellungen ist zu klären, ob unterschiedliche Aufenthaltsstatus, Bleibeperspektiven und Altersstrukturen unterschiedliche Integrationsziele und -bedarfe auslösen.

1. Sprache, Erziehung und Bildung

Ziele:
Im Bereich Sprache analysiert die Enquete-Kom¬mission die Bedeutung von Spracherwerb und Sprachkompetenz für den Integrationsprozess und entwickelt Vorschläge zur Verbesserung der Sprachförderung, sowohl in Bezug auf den Erwerb der deutschen Sprache als auch in Bezug auf die Förderung der herkunftssprachlichen Kompetenz und der Mehrsprachigkeit.

In den Bereichen Erziehung und Bildung untersucht sie die bisherigen Strategien und Konzepte der Bildungseinrichtungen des Freistaates Bayern (Kindertageseinrichtungen, Schulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Maßnahmen der Jugendsozialarbeit und Lernorte der außerschulischen Bildung) im Hinblick darauf, ob sie Migrantinnen und Migranten die gleichen guten Teilhabe- und Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen wie deutschen Muttersprachlern. Außerdem analysiert sie, wie es den Bildungseinrichtungen gelingen kann, die vorhandenen Ressourcen (z.B. kulturelle und berufliche Kompetenzen) von Migrantinnen und Migranten weiterzuentwickeln. Ferner ist zu klären, welche Rolle den Bildungseinrichtungen in Bezug auf die Wertevermittlung zukommt und welche Ressourcen dafür benötigt werden.

Darüber hinaus untersucht die Enquete-Kommission ausgehend von den unterschiedlichen Sprach- und Bildungsniveaus, Ausbildungsabschlüssen und Qualifizierungsgraden der Migrantinnen und Migranten, welche Bedarfe an Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bestehen und welche Faktoren für eine positive Bildungslaufbahn ausschlaggebend sind.


Leitfragen:

1. Wie kann eine erfolgreiche Bildungslaufbahn gelingen, insbesondere angesichts der Herausforderung des Erlernens der deutschen Sprache?

a) Welche Rolle spielen Spracherwerb und Sprachkompetenz für den Integrationsprozess? Welche Bedeutung hat die Nutzung der deutschen Sprache im privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Bereich für den Spracherwerb? Wie müssen die Bildungseinrichtungen in Bayern aufgestellt sein, um das Erlernen und Beherrschen der deutschen Sprache in jeder (Lebens-)Phase zu unterstützen?

b) Welche Vorbildung und Kenntnisse sind bei den unterschiedlichen Gruppen von Migranten vorhanden? Wie ausgeprägt sind Bildungsaffinität und Bildungsinteresse der Migrantinnen und Migranten? Wie können wir diese durch Fördern und Fordern erhöhen?

c) Wie versuchen Bildungseinrichtungen, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund entlang der gesamten Bildungskette zu fördern? Was gelingt bislang gut, wo gibt es Defizite und wie kann die Integrationskraft gestärkt werden?

d) Wie können die vorhandenen Fähigkeiten der Migrantinnen und Migranten in den Bildungseinrichtungen in Bayern bestmöglich gefördert werden? Welche Fördermaßnahmen sind hinsichtlich unterschiedlicher Sprach- und Bildungsniveaus, Ausbildungsabschlüsse und Qualifizierungsgrade der Migrantinnen und Migranten vordringlich erforderlich?

e) Wie können die Bildungseinrichtungen in Bayern ihren Beitrag zur Wertevermittlung optimal gestalten? Wie kann insbesondere das Verständnis für unsere Werte- und Rechtsordnung vermittelt werden?

f) Welche Fähigkeiten können den Migrantinnen und Migranten, die nur vorübergehend bei uns sind, vermittelt werden, damit sie sich im Heimatland eine neue Existenz schaffen können?

2. Gesellschaftliche und politische Partizipation

Ziele:
Im Bereich der gesellschaftlichen und politischen Partizipation ist zu prüfen, wie die Teilhabe von Frauen und Männern bzw. Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund an politischen und gesellschaftlichen Kommunikations-, Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen sowie an den vielfältigen Formen bürgerschaftlichen und gesellschaftlichen Engagements im Ehrenamt, in Vereinen und insbesondere im Sport weiter gefördert werden kann. Im Besonderen sind die Beteiligungsangebote für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen.
Zudem soll geprüft werden, welchen Einfluss das aktive und passive Wahlrecht sowie die mögliche Einbürgerung von Migrantinnen und Migranten auf die Integration und die Integrationsbereitschaft und Integrationsrichtung haben.

Leitfragen:

2. Wie kann die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund jeden Alters an politischen und gesellschaftlichen Kommunikations-, Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen (insbesondere in Gremien auf Landes- und Kommunalebene, die einen Bezug zu Belangen der Menschen mit Migrationshintergrund aufweisen) sowie an den vielfältigen Formen bürgerschaftlichen und gesellschaftlichen Engagements weiter gefördert werden?

a) Wie können freie Träger und zivilgesellschaftliche Initiativen besser gefördert werden (z.B. institutionelle Förderung oder projektbezogene Förderung)?

b) Wie gestalten sich insbesondere die Beteiligungsangebote für Kinder und Jugendliche und wie sind diese zu bewerten?

c) Was erwarten sich die Migrantinnen und Migranten von gesellschaftlicher und politischer Partizipation? Welche Bedeutung messen Migrantinnen und Migranten der Teilnahme an Wahlen bei? Welche Bedeutung hat das Wahlrecht für die Integrationsbereitschaft und Integrationsrichtung? Welche Rahmenbedingungen müssten für die Teilnahme an Wahlen als zentralem Element politischer Partizipation gegeben sein (insbesondere auch mit Blick auf junge Wählerinnen und Wähler bzw. potenzielle Erstwählerinnen und Erstwähler)?

d) Kann die Aussicht auf Einbürgerung positive Anreize setzen, um die Integrationsbereitschaft der Migrantinnen und Migranten zu erhöhen?

e) Welche Faktoren tragen in traditionellen Einwanderungsländern wie den USA und Kanada zu einer hohen Identifikation mit dem neuen Heimatland bei und wie lassen sich diese Erkenntnisse übertragen? Welche Maßnahmen sind geeignet, die Identifikation der Migrantinnen und Migranten mit Bayern bzw. Deutschland und insbesondere mit unseren Werten und Regeln zu fördern?

f) Welche Aufgaben erwachsen den Kommunen aus dem Thema Integration? Wie kann das bürgerschaftliche Engagement von Migrantinnen und Migranten gefördert werden?

3. Antidiskriminierung und Antirassismus

Ziele:
Ausgehend von den vielfältigen Aktivitäten gegen Diskriminierung und Rassismus soll die Enquete-Kommission die Wechselwirkung zwischen Dis¬kriminierung und gesellschaftlicher Desintegration bzw. Antidiskriminierung und gesellschaftlicher Integration von Menschen mit Migrationshintergrund untersuchen und bewerten. Insbesondere soll untersucht werden, ob und wie im eigenen Zuständigkeitsbereich des Landes Maßnahmen der Antidiskriminierung und Maßnahmen zur Sensibilisierung gegen Rassismus und Diskriminierungen unterschiedlichster Art noch weiter gestärkt werden können. Ferner soll die Enquete-Kommission den Effekt anonymisierter Bewerbungsverfahren untersuchen.

Leitfragen:

3. Ist die Gleichbehandlung aller gesellschaftlichen Gruppen als zentrales politisches Ziel in unserer demokratischen Gesellschaft in Bayern gegeben?

a) Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Diskriminierung und gesellschaftlicher Desintegration bzw. zwischen Antidiskriminierung und gesellschaftlicher Integration von Menschen mit Migrationshintergrund?

b) Wie kann die öffentliche Grundhaltung gegen Rassismus und Diskriminierung noch weiter gestärkt werden?

c) Worauf muss bei der Formulierung von Normen besonders geachtet werden, um Diskriminierung zu vermeiden?

d) Können anonymisierte Bewerbungsverfahren dazu beitragen, Diskriminierung in der Arbeitswelt zu minimieren?

e) Welche dominierenden Erscheinungsformen bei rassistischen Denk- und Handlungsweisen - auch innerhalb der Gruppen von Migranten - gibt es? Wie kann diesen rassistischen Denk- und Handlungsweisen mit einer ganzheitlichen politischen und gesellschaftlichen Strategie entgegengewirkt werden?

f) Ist es sinnvoll, eine Staatszielbestimmung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, also eine sog. ,,Anti-Rassismus-Klau¬sel", in die Bayerische Verfassung mitaufzunehmen?

g) Wie stellt sich aktuell in Bayern die Gefährdungslage durch rassistisch motivierte Straftaten dar und wie kann diesen durch gesamtgesellschaftliche Konzepte entgegengewirkt werden?

4. Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Ziele:
Im Bereich der Wirtschaft hat die Enquete-Kom¬mission die diesbezügliche Rolle von Menschen mit Migrationshintergrund zu analysieren: Dabei ist der Beitrag von Migrantinnen und Migranten für Innovation und Wachstum in Bayern ebenso zu klären wie auftretende Probleme. Auch ihre Bedeutung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft ist zu untersuchen, genauso wie die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes, insbesondere im Hinblick auf unterschiedliche Qualifizierungsgrade der Migrantinnen und Migranten.

In den Bereichen Ausbildung und Arbeitswelt ist die gegenwärtige Situation von Frauen und Männern mit Migrationshintergrund (z.B. Durchschnittslöhne, Arbeitslosigkeit, Berufsbilder) zu untersuchen. Darüber hinaus soll eine Bestandsaufnahme bereits vorhandener arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen und Programme für Menschen mit Migrationshintergrund vorgenommen werden. Auch sind Möglichkeiten und Strategien zur Verbesserung der Ausbildungssituation junger Menschen mit Migrationshintergrund, zur Erweiterung ihres Berufswahlspektrums und insgesamt zur Steigerung der Erwerbstätigkeit, insbesondere von Frauen, zu diskutieren und zu prüfen. Hier soll die Enquete-Kommission auch Fragen der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Bayern (bspw. Fachkräfte), Fragen zur Integration sowie zu den besonderen Herausforderungen in den einzelnen Betrieben erörtern. Zudem hat sie die Problematik der Bedeutung und der Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse zu untersuchen sowie Vorschläge zur Verbesserung der Anerkennungspraxis zu entwickeln.

Leitfragen:

4. Welche Rolle spielen Menschen mit Migrationshintergrund für die bayerische Wirtschaft und sind die Voraussetzungen für ihre erfolgreiche Integration in den bayerischen Arbeitsmarkt gegeben?

a) Welchen Beitrag können Frauen und Männer mit Migrationshintergrund in der Wirtschaft im Hinblick auf Innovation und Wachstum leisten? Welche Probleme treten auf?

b) Welche unterschiedlichen Qualifikationsniveaus liegen vor? Wie können die unterschiedlichen Kompetenzen der Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt integriert werden? Wie aufnahmefähig ist der Arbeitsmarkt hinsichtlich vorhandener Qualifizierungsprofile?

c) Welche Möglichkeiten und Strategien hat Bayern zur Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Migrationshintergrund? Wie können in diesem Zusammenhang Arbeitsplatzkonkurrenzen zwischen Migrantinnen und Mi-granten auf der einen und Einheimischen auf der anderen Seite vermieden werden?

d) Wie kann sich Bayern durch die interkulturelle Öffnung der Verwaltung auf die zunehmenden Anforderungen einer Einwanderungsgesellschaft einstellen?

e) Kann durch den Zuzug von Menschen mit Migrationshintergrund der Fachkräftemangel, vor allem in ländlichen Regionen, mittel- bis langfristig entschärft werden, und welche Strategien sind dazu notwendig?

f) Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für bayerische Unternehmen und wie und in welchem Umfang können bürokratische Hürden bei der Beschäftigung von Migrantinnen und Migranten abgebaut werden?

5. Wohnen und Stadtentwicklung

Ziele:
In den Bereichen Wohnen und Stadtentwicklung ist zu prüfen, wie (bspw. mithilfe von Instrumenten der Stadt- und Quartiersentwicklung) eine positive Zukunftsperspektive im Sinne einer verbesserten Integration durch ein lebendiges Wohnumfeld geschaffen und soziokulturelle Segregation, Parallelgesellschaften und soziale Brennpunkte vermieden werden können. Insbesondere ist dabei zu klären, wie es gelingen kann, zügig bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen, um den entsprechenden Bedarfen der unterschiedlichen Bevölkerungs¬gruppen gerecht zu werden, und ob hierzu ggf. auch rechtliche Rahmenbedingungen anzupassen sind.

Leitfragen:

5. Wie kann Wohnen als Baustein für erfolgreiche Integration wirken?

a) Wie kann in relativ kurzer Zeit ausreichend bezahlbarer Wohnraum in Bayern geschaffen werden? Sind hierfür bspw. auch rechtliche Rahmenbedingungen anzupassen?

b) Wie kann gewährleistet werden, dass sich Wohnen nicht nur in der bloßen Unterbringung von Menschen erschöpft, sondern ein lebendiges Miteinander ermöglicht und einseitige Bewohnerstrukturen und Segregation vermieden wird?

c) Was muss hinsichtlich Wohnen und Stadtentwicklung bei Integration in städtischen Strukturen und im ländlichen Raum beachtet werden? Gibt es hier Unterschiede?

d) Inwiefern hemmen einseitige Bewohnerstrukturen die Integration? Welche Faktoren begünstigen bzw. hemmen die Bildung von Parallelgesellschaften?

6. Gesundheit und Pflege

Ziele:
In den Bereichen Gesundheit und Pflege hat die Enquete-Kommission Rahmenbedingungen und Zugangsbarrieren (z.B. Sprachbarrieren, differierende Krankheitskonzepte, soziale Hürden, spezielle Situationen von Menschen mit Traumata, Barrieren für Menschen mit Behinderung) zu prüfen und Handlungsansätze bzw. Verbesserungsmöglichkeiten herauszuarbeiten.

Leitfragen:

6. Welche Barrieren bestehen für Menschen mit Migrationshintergrund in den Bereichen Gesundheit und Pflege und wie können diese beseitigt werden?

a) Wie gestalten sich die Rahmenbedingungen und Zugangsbarrieren in diesen Bereichen?

b) Wie und in welchem Umfang kann eine kultursensible Gesundheitsversorgung und Pflege, insbesondere im Alter, gewährleistet werden?

7. Religion und Weltanschauung

Ziele:
Im Bereich Religion und Weltanschauung ist die Rolle und Bedeutung von Religionen und Weltanschauungen sowie von religiösen bzw. religiös geprägten Traditionen und Praktiken für die Integration zu untersuchen und zu bewerten. Zudem soll der interreligiöse Dialog in Bayern im Hinblick auf den Umgang mit unterschiedlichen religiösen Traditionen sowie auf gemeinsame Anstrengungen zur Prävention von Radikalisierung untersucht werden. Auf dieser Grundlage sind sodann Möglichkeiten der Förderung und Unterstützung des interreligiösen Dialogs zu diskutieren.
Die Enquete-Kommission untersucht die Möglichkeiten der Ausweitungen des islamischen Religionsunterrichts unter staatlicher Aufsicht. Des Weiteren untersucht die Enquete-Kommission die Möglichkeiten und Chancen einer Ausweitung der Ausbildung von Imamen an Bayerischen Hochschulen und setzt sich mit den Möglichkeiten und potenziellen Folgewirkungen einer Vereinbarung bzw. eines Staatsvertrags mit der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Bayern auseinander.

Leitfragen:

7. Welchen Stellenwert nehmen unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen in Bezug auf die Gestaltung von Integrationsprozessen ein?

a) Welche Rolle spielen Religion und Weltanschauung bzw. religiös geprägte Traditionen und Praktiken bei der Integration?

b) Welche Maßnahmen können dazu beitragen, den Migrantinnen und Migranten die Trennung von Staat und Religion und die bei uns geltenden Grenzen der Religionsfreiheit zu vermitteln?

c) Wie kann der interreligiöse Dialog in Bayern gefördert werden, auch im Hinblick auf gemeinsame Anstrengungen zur Prävention von Radikalisierung?

d) Welche Möglichkeiten und Chancen bieten die Ausweitung des islamischen Religionsunterrichts unter staatlicher Aufsicht an bayerischen Schulen bzw. die Überführung in ein Regelangebot sowie die Ausbildung von Imamen an Bayerischen Hochschulen? Wo liegen die Grenzen?

e) Welche Möglichkeiten böte eine Vereinbarung bzw. ein Staatsvertrag mit den Verbänden der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Bayern um Integration zu fördern? Welche Voraussetzungen müssten für eine solche Vereinbarung bzw. einen Staatsvertrag vorliegen? Welche Folgen hätte eine solche Vereinbarung? Welche Rolle kommt den muslimischen Verbänden und Organisationen (z.B. DiTiB) zu?

8. Gleichstellung

Ziele:
Im Bereich der Gleichstellung setzt sich die Enquete-Kommission das Ziel, die gegenwärtigen Einstellungen, Lebenssituationen und Partizipationsmöglichkeiten von Frauen und Männern, Jungen und Mädchen mit Migrationshintergrund zu analysieren, sowohl in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit als auch auf die Gleichstellung lesbischer, schwuler, bi- und transsexueller Lebensweisen. Dabei berücksichtigt sie insbesondere auch die unterschiedlichen Einstellungen innerhalb der einzelnen Gruppen von Migranten zur Gleichstellung. Was die Geschlechtergerechtigkeit betrifft, so ist insbesondere zu prüfen, wie die Chancen von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund auf gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, an Bildung und Arbeit auf eigenes Selbstbestimmungsrecht und auf Schutz vor Gewalt weiter verbessert werden können. Es ist zu fordern, dass der Wert der Gleichstellung anerkannt und gelebt wird. Insgesamt ist das Thema Gleichstellung auch in Bezug darauf zu analysieren, wie Zugewanderte bestehende rechtliche Möglichkeiten besser wahrnehmen können, ob also bspw. die entsprechenden Informationsangebote auszubauen bzw. zu verbessern sind.

Leitfragen:

8. Welche Einstellungen, Lebenssituationen und Partizipationsmöglichkeiten von Frauen und Männern bzw. Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund sind vorhanden? Welche Unterschiede sind festzustellen? Wie kann Gleichstellung und gleichberechtigte Teilhabe akzeptiert und gestärkt werden?

a) Wie können insbesondere die Teilhabechancen von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund verbessert werden?

b) Wie kann die Toleranz von Zugewanderten gegenüber lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Lebensweisen erreicht werden?

c) Wie kann die Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Zugewanderten erreicht werden?

9. Kultur und Medien

Ziele:
Im Bereich der Kultur soll insbesondere untersucht werden, wie sich die Akzeptanz von zentralen gesellschaftlichen Werten (z.B. Wertekanon des Grundgesetzes) einerseits und von unterschiedlichen kulturellen Normen bzw. Traditionen andererseits zueinander verhalten, das heißt, ob und unter welchen Voraussetzungen sie sich bereichern oder in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen und welche Konsequenzen dies jeweils für den Integrationsprozess hat. Zudem sind Möglichkeiten der Förderung und Unterstützung verschiedener Formen des interkulturellen Dialogs bzw. der interkulturellen Vernetzung zu diskutieren. Kulturelle Aktivitäten sollen in diesem Zusammenhang auch unter dem Aspekt ihres Beitrags zur Bewahrung der jeweiligen kulturellen Identität und zum Erhalt der kulturellen Vielfalt erörtert werden.
Im Bereich der Medien ist die Rolle und Bedeutung der Medien für den Gesamtkomplex Integration zu untersuchen und zu bewerten, insbesondere auch unter dem Blickwinkel der Vermittlung deutscher Sprache und gesellschaftlicher Werte im Rahmen eines pluralistischen Programmangebots.

Leitfragen:

9. Inwieweit können unterschiedliche kulturelle Normen und Traditionen im Rahmen einer pluralistischen Gesellschaft bewahrt, gefördert und vernetzt werden?

a) Welche Bedeutung für den Integrationsprozess hat die Akzeptanz von zentralen gesellschaftlichen Werten einerseits und von kulturellen Normen und Traditionen andererseits?

b) Welche Rolle spielen die Medien als vermittelnder Akteur insbesondere auch von deutscher Sprache und gesellschaftlicher Werte inmitten einer pluralistischen Gesellschaft bzw, im Rahmen eines pluralistischen Programmangebots?

c) Wie können gerade neue Medien für den Integrationsprozess nutzbar gemacht werden?

d) Inwiefern und auf welche Art und Weise tragen die Medien zu einem pluralistischen Kulturverständnis und damit zur Konstruktion einer Gesellschaft der Moderne bei?

e) Welchen Beitrag können die Medien leisten, um Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu realisieren?

10. Integrationsbereitschaft, Integrationsrichtung, Leitkultur

Ziele:
Die Enquete-Kommission untersucht, wie die Migrantinnen und Migranten die deutsche Sprache und das hiesige Wertesystem kennen und schätzen lernen können und welche Bedeutung die Akzeptanz und das Mittragen unserer Rechtsordnung und unserer Wertvorstellungen für gelingende Integration haben.
Insbesondere soll darauf eingegangen werden, was der Begriff der Leitkultur bedeutet und umfasst und welchen Beitrag er zu einer gelingenden Integration leisten kann.

Leitfragen:

10. Wie kann die Bereitschaft der Migrantinnen und Migranten zur Integration und zur Teilhabe an unserer Gesellschaft mit unseren Werten und Regeln erhöht werden?

a) Was bedeutet in der Integrationspolitik der Begriff der Leitkultur? Wie wird dieser definiert? Ist dieser geeignet, Integration zu fördern? Wenn ja, wie kann er vermittelt werden?

b) Auf welche gemeinsamen kulturellen Werte und Regeln stützt sich ein gelingendes Zusammenleben?

c) Wie ist mit Traditionen und Werten von Migranten für eine gelingende Integration umzugehen? Wie kann in einer pluralistischen Gesellschaft das Verhältnis zwischen Anpassungsbereitschaft an die Werte und Regeln der Aufnahmegesellschaft und die Bewahrung der eigenen kulturellen Identität der Migranten in Einklang gebracht werden?

d) Welche Bedeutung hat die Akzeptanz und das Mittragen unserer Rechts- und Wertvorstellungen für gelingende Integration? Wie kann erreicht werden, dass die bei uns gelebten kulturellen Werte und Regeln des gelingenden Zusammenlebens verstanden, akzeptiert und auch selber gelebt werden? Welches Maß an Anpassungsbereitschaft der Migrantinnen und Migranten können und müssen wir verlangen?

e) Welche Mitwirkung der Migrantinnen und Migranten ist für gelingende Integration erforderlich? Wie kann die Bereitschaft der Migrantinnen und Migranten zum Erlernen der deutschen Sprache, zur gesellschaftlichen Partizipation und zur Eingliederung in die hiesige Gesellschaft erhöht werden?

f) Wie können Anreize dazu beitragen, die Integrationsbemühungen der Migrantinnen und Migranten zu erhöhen?

g) Wie können Sanktionen dazu beitragen, die Integrationsbemühungen der Migrantinnen und Migranten zu erhöhen?

h) Wie wirken bereits länger hier lebende Menschen mit Migrationshintergrund bei der Integration von Migrantinnen und Migranten mit? Wie kann diese Mitwirkung noch erhöht werden?

i) Ist der Begriff der Parallelgesellschaften geeignet Gefahren für Integration zu beschreiben? Wie wird ggf. die Existenz von Parallelgesellschaften in Bayern eingeschätzt? Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen bzw. wie können Parallelgesellschaften vermieden werden?

11. Kommunales

Ziele:
Im Bereich Kommunales soll insbesondere untersucht werden, wie die Kommunen sowie örtliche Vereins- und Helferstrukturen unterstützt werden können. Erfolgreiche Integration findet vorrangig auf kommunaler Ebene statt. Dazu ist zu diskutieren, welche Strukturen geschaffen werden können, um auch in den Kommunen und in ländlichen Gebieten eine wirkungsvolle Integrationsarbeit zu ermöglichen und wie entsprechende finanzielle Mittel am wirkungsvollsten zur Verfügung gestellt werden können.

Leitfragen:

11.Wie können die bayerischen Kommunen als Orte der Integration (personell, organisatorisch, finanziell und ideell) wirkungsvoll unterstützt werden?

a) Welche empfehlenswerten kreativen Einzellösungen gibt es, damit in jeder Kommune eine erfolgreiche Integrationsarbeit geleistet werden kann?

b) Welche Unterstützung soll und kann für ehrenamtliche Helfer geleistet werden?

c) Wie können regionale und kommunale Integrationskonzepte die Integration in den Kommunen koordinieren und fördern?

d) Durch welche Maßnahmen kann das Thema ,,Integration" in den bestehen-den kommunalen Gremien (Kreistag, Stadt-/Gemeinderat, Ausschüsse) fest verankert werden?
e) Können neue Einrichtungen wie z.B. Integrationszentren, Integrationsbeiräte, etc. den Prozess der Integration besser fördern?

V. Die Enquete-Kommission wird gebeten, dem Landtag bis zum Frühjahr des Jahres 2018 über die Ergebnisse zu berichten, diese zu bewerten und etwaige Konsequenzen für die Bundes- und Landesgesetzgebung sowie die Gesellschaft darzustellen. Sie kann zu einzelnen Fragen Zwischenberichte erstatten und zur Unterstützung ihrer Arbeit öffentliche Anhörungen mit Sachverständigen durchführen.

VI. Unabhängig von der Arbeit der Enquete-Kommission bleibt die Staatsregierung aufgefordert, die Integration durch konkretes Handeln auch in Zukunft schnell und wirksam zu fördern.

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